Hund und Mensch. Eine Beziehung mit Wachstumspotential.

Burnout, Angst und Depression sind heute keine Ausnahmeerscheinung mehr. Die Anzahl der Krankheitstage wegen psychischer Probleme hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt, wie man in den letzten Wochen in verschiedenen Medien lesen konnte. Eine Entwicklung, die uns allen zu denken geben sollte. Auch die Zahl der Menschen, die psychisches Leid in milderer Form erleben, ist nicht zu unterschätzen. Dauerstress, Leistungsdruck bis hin zu anhaltender gedrückter Stimmung – viele Betroffene versuchen solche schwierigen Phasen alleine zu meistern. Irgendetwas scheint da schief zu laufen in unserer Gesellschaft, im Arbeitsleben, im Umgang mit uns selbst und anderen. Es wird Zeit, dass wir uns damit beschäftigen was zählt, um psychisch stabil zu bleiben. Was hilft uns, unser inneres Gleichgewicht zu stärken, damit wir für Lebensphasen gerüstet sind, in denen die Dinge mal nicht so rund laufen?

Flourishing. Was uns gut tut.

Wir müssen mit unserer Suche nach unserem Weg zu mehr Balance noch nicht einmal bei Null anfangen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten befassen sich Forschungsprojekte damit, welche Faktoren dazu beitragen, seelisch gesund zu bleiben. Und noch mehr als das: Studien zeigen uns, wie ein glückliches erfülltes Leben gelingen kann. Barbara Fredrickson und Corey Keyes haben dafür den schönen Begriff „Flourishing“ gefunden, Martin Seligmann hat ihn aufgegriffen und ihn damit mit seinem Buch weltweit bekannt gemacht. Flourishing steht für Wohlbefinden und persönliches Wachstum, für eine engagierte und selbstbestimmte Lebensgestaltung, für persönliche Werte und Stärken. Das Wissen wäre vorhanden. Um mehr Wohlbefinden und Glück zu erleben, müssen nur noch eine klitzekleine Hürde schaffen: diese Erkenntnisse auch wirklich zu leben und in unseren Alltag zu integrieren.

Die amerikanische Psychologin Sonja Lyubomirsky beschreibt, dass unser Glücksempfinden zu ca. 50 Prozent durch unsere Gene bestimmt wird und lediglich ca. 10 Prozent durch äußere Umstände. Das heißt: 40 Prozent unserer Lebenszufriedenheit können wir selbst aktiv beeinflussen. Wir können unser Glücksgefühl steigern durch das, was wir denken und tun (1). Liest man Veröffentlichungen zu Positiver Psychologie und Resilienz, dann findet man folgende beeinflussenden Faktoren für unsere Zufriedenheit und unser Glück: eine große Rolle spielen positive Beziehungen, aber auch täglich für eine regelmäßige und ausreichende Dosis an positiven Emotionen zu sorgen tut uns gut. Das Leben bewusst im Hier und Jetzt leben, mit sich selbst und unserem Körper achtsam umgehen (Emotionen, Bewegung, Ernährung), eigene Ziele, Werte und Stärken leben, Sinn in unserem Tun finden und merken, dass wir etwas bewegen können – das ist ebenfalls wichtig für unser Wohlbefinden und Glück.

Positive Beziehungen und Emotionen, Bewegung und sinnvolles Tun – das macht uns also glücklich und zufrieden? Vor diesem Hintergrund ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir Hunde in unser Leben holen. Und das zeigt auch auch die wachsende Zahl an Hundehaltern. Viele wünschen sich einen hündischen Partner an ihrer Seite, um einen Grund für regelmäßige Bewegung an der frischen Luft und einen immer dankbaren Begleiter zu haben, mit dem sie Spaß haben und gemeinsame Aktivitäten genießen können. Ein Lebewesen, das sie umsorgen können und zu dem eine starke emotionale Bindung entstehen kann.

Hundehaltung heute. Immer positiv?

Dieser Trend hat jedoch auch eine andere Seite. Hundehaltung kann heutzutage je nach Umfeld auch zur Herausforderung werden. Die Hundedichte steigt. Die Zahl der Menschen, die sich durch Hunde bzw. fremde Hunde gestört fühlen, ebenfalls. Diese Entwicklung stellt hohe Anforderungen an Hundehalter: der Hund soll möglichst nicht auffallen, sein hündisches Normalverhalten, wie Menschen abschnüffeln, markieren, jagen und bellen möglichst unterlassen. Er soll sich mit allem und jedem vertragen und sich gefallen lassen, auch von fremden Menschen angefasst zu werden. Und schon stecken wir Hundehalter in einem Dilemma – sobald wir uns einen Hund ins Haus holen, stehen wir vor der Herausforderung, ihn gegen sein Naturell so zu trainieren, dass wir mit ihm – möglichst ohne Aufzufallen – am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es viele Möglichkeiten. Von Ansätzen, die mindestens einem der beteiligten Individuen auf Dauer schaden, bis hin zu Ansätzen, die für alle Beteiligten sehr bereichernd sein können und damit ganz nebenbei das Wohlbefinden stärken. Unseres, und auch das unseres Hundes.

Mit Hund zu mehr Wohlbefinden und Glück

Jedes Lebewesen hat Bedürfnisse. Nicht immer decken sich die des Hundes mit unseren. Und doch haben wir mit ihm einiges gemeinsam, zum Beispiel das Bedürfnis nach Bewegung, Bindung und sozialer Interaktion, nach Entspannung, positiven Erlebnissen, bewältigbaren Aufgaben und selbstständigem Erkunden, nach Vertrautem, Klarheit, Sicherheit und einem strukturierten Tagesablauf. Und das bringt sogar eine wertvolle Chance für uns Hundehalter mit sich.

Studien zeigen, dass Hunde eine positive Wirkung auf Wohlbefinden und Lebensqualität ihrer Halter haben. Sie zeigen aber auch, dass diese positive Auswirkung, nur dann eintritt, wenn „Hundehalter eine konstante, partnerschaftliche und aktiv geprägte Beziehung ihrem Hund aufbauen.“, wie Dr. Silke Wechsung, Forschungsleiterin des Projekts „Mensch und Hund“ am Psychologischen Institut der Universität Bonn, in ihrem Buch „Die Psychologie der Mensch-Hund-Beziehung“ beschreibt. In einer Studie mit einer repräsentativen Stichprobe von 2789 Hundehalter wurden die psychologischen Bedingungen ermittelt, die das Beziehungsverhalten von Mensch und Hunden beeinflussen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Faktoren wie klare Kommunikation, Bindung und eine gute Ausbildung des Hundes eine große Rolle dabei spielen. Unerlässlich ist dabei ein fundiertes Wissen des Hundehalters über Bedürfnisse und Verhalten des Hundes. Die Studie zeigt auch, dass es sich negativ auf die Qualität der Mensch-Hund-Beziehung auswirkt, wenn Hundehalter unrealistische, vermenschlichende Erwartungen an den Hund als Beziehungspartner stellen oder permanent nur die menschlichen Bedürfnisse im Vordergrund stehen und die hündischen ignoriert werden. Der Mensch ist es, der den Alltag mit Hund gestaltet. Von seiner inneren Haltung, seinen Führungsqualitäten und seinem Handeln hängt das Wohlbefinden des Hundes maßgeblich ab. Und auch die Beziehungsqualität des Hund-Mensch-Teams. (2)

Hund und Mensch – ein starkes Team

Kombinieren wir also das Wissen darüber, was uns Menschen gut tut mit dem, was dem Hund gut tut und leben wir gleichzeitig einen Umgangsstil, der den Hund fördert, anstatt ihn zu hemmen, entsteht eine Win-Win-Situation, von der beide sehr profitieren. Vertrauen und Verbundenheit kann wachsen, Hund und Mensch haben Spass an gemeinsamen Aktivitäten. Beide erleben positive Emotionen wie Freude und Zufriedenheit, wenn die überartliche Kommunikation klappt, gemeinsam Trainingsziele erreicht werden und das Miteinander harmoniert. Wenn wir die Bereitschaft mitbringen, uns aktuelles Wissen anzueigenen, uns auf ein anderes Lebewesen respektvoll einzulassen, uns selbst zu reflektieren und den Alltag entsprechend gestalten, werden Hund und Mensch zu einem starken Team.


Wenn Sie Lust haben, mehr über diese Themen zu erfahren, oder sich konkrete Umsetzungsideen für den Alltag wünschen – abgestimmt auf Sie und Ihren Hund – dann gefällt Ihnen vielleicht unser Angebot:

In Kooperation mit der Hundeschule Dogs-Connection findet auch 2019 wieder unser Workshop „Stark im Team“ für Menschen mit Hund in Gstadt/Preinersdorf statt.

Termine: 22.-23. Juni 2019 oder 16-17. November 2019

Weitere Informationen finden Sie hier:
www.dogs-connection.de (Veranstalter)
oder www.ziegelmeier.info

Literaturangaben:
(1) Sonja Lyubomirsky: „Glücklich sein – Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben“, Campus Verlag, 2018
(2) Silke Wechsung: „Die Psychologie der Mensch-Hund-Beziehung“, Cadmos Verlag, 2010