Autopilot „off“. Das Leben erleben.

Ein Schüler fragte seinen Meister, wie man es schafft, glücklich und zufrieden zu sein.
Der Meister antwortete: „Wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich.“
Schüler: „Aber Meister, das machen wir doch alle.“
Meister: „Nein, das macht ihr nicht. Wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon und wenn ihr steht, dann geht ihr schon, und wenn ihr geht, dann seid ihr schon am Ziel.“
(buddhistische Weisheit)

Über diese alten, weisen Worte nachzudenken lohnt sich. Auch hier und heute. Wir leben häufig im ‚Autopilot-Modus‘. Wir tun das eine und denken dabei schon an das nächste. Unser modernes Leben treibt uns an. Wir möchten so schnell wie möglich so viel wie möglich erledigen.

Was denken Sie? Tun wir uns mit dieser Höher-Schneller-Weiter-Lebensart einen Gefallen? Ich sehe das so: wählen wir diese Art von Lebensstil, sparen wir an der ein- oder anderen Stelle vielleicht ein bisschen Zeit. Wir zahlen aber einen hohen Preis dafür, denn so zu leben kostet Kraft und gefühlte Lebenszeit. Wenn wir uns selbst vorauseilen, verpassen wir den Moment.

Was war das nochmal, was Sie heute Mittag gegessen haben? Wissen Sie es noch, oder lief das Essen so „nebenbei“? Wie gehen Sie mit Ihrem Hund spazieren? Sind sie mit dem Kopf bei ihm und bei dem was sie gemeinsam erleben? Oder bereits beim Einkaufszettel oder dem nächsten Meeting?

Manchmal kostet diese Art zu leben sogar tatsächlich Zeit. Nämlich dann, wenn wir wir unser Handeln sehr häufig unserem Autopiloten überlassen, so dass uns gar nicht mehr bewusst ist, was wir gerade getan haben. Diese Situationen kennen Sie sicher auch: Sie suchen ihren Schlüssel. Vorhin hatten Sie ihn noch in der Hand, daran erinnern Sie sich noch ganz genau. Und dann? Was war dann? Passiert es Ihnen auch manchmal, dass Sie nochmal zurückgehen, um zu überprüfen, ob Sie die Balkontüre auch wirklich geschlossen, das Bügeleisen tatsächlich ausgesteckt haben?

Diese Autopilot-Fähigkeit hat durchaus auch gute Seiten. Sie kann im Alltag unheimlich nützlich für uns sein. Zum Beispiel wenn wir Auto fahren. Sie befähigt uns dazu, dass wir uns auf die Umwelt konzentrieren und gleichzeitig das Auto ganz intuitiv bedienen. Einsatz von Bremse, Gas, Schalthebel – das alles erfolgt automatisch und unwillkürlich – ohne, dass wir darüber nachdenken müssen. Damit das so reibungslos funktioniert, haben wir viel geübt. Eine grandiose Leistung unseres Gehirns, bewusste und unbewusste Prozesse parallel zu verarbeiten.

Unsere Herausforderung sehe ich darin:  wir sollten ein Bewusstsein für diese Thematik entwickeln und die Wahl für uns treffen, ob und an welchen Stellen wir im Alltag im Autopilot-Modus unterwegs sein wollen. Wenn wir einen Sport daraus machen, die Zeit ständig optimal und auszunutzen und gedanklich bereits vorauszueilen, dann müssen wir mit den Auswirkungen leben. Es hat seinen Preis, wenn wir Zähneputzen und bereits darüber nachdenken, was wir anziehen. Wenn wir uns anziehen und schon darüber nachdenken, was wir heute zu wem sagen werden. Wenn wir in einer Besprechung sitzen und in Gedanken die Einkaufsliste für heute Abend machen. Wenn wir während des gemeinsamen Abendessens still und heimlich über die Wochenendplanung nachdenken. Oder über den Workshop morgen. Wenn unsere Gedanken ständig dem Augenblick vorauseilen. Das kostet Kraft, Lebens- und Beziehungsqualität. Wenn wir nicht im Hier & Jetzt leben, geht das Leben an uns vorbei.

Kinder – und auch unsere Hunde – sind Meister darin, mit allen Sinnen den Moment zu leben. Auch wir können es üben und wieder häufiger machen. Beobachten Sie Ihren Hund doch einmal ganz bewusst, wenn Sie mit ihm spazieren gehen. Nehmen Sie ihn nicht in Ihrem Tempo mit, sondern lassen Sie ihm die Zeit, die er will und braucht. Er versinkt völlig im Augenblick, wenn er an einer Duftmarke schnüffelt. Er ist kaum ansprechbar, geht völlig in seinem Tun auf. Er ist mit seinen Sinnen bei dem interessanten Geruch, ganz im Hier und Jetzt. Ungefähr so, wie wenn Sie in ein spannendes Buch versunken sind. Erst wenn er fertig ist, wenn er das, was ihn da interessiert, vollkommen ausgekostet und ‚begriffen‘ hat, löst er sich und hat den Kopf wieder frei für neue Dinge. Ich liebe den zufriedenen Blick, den mir meine Hunde dann zuwerfen. Er scheint zu sagen: das war spannend – und nun?

Die Qualität eines Spaziergangs liegt für den Hund nicht in der zurückgelegten Strecke, sondern in dem was er wahrnimmt und erlebt. Und wie ist das bei uns? Ich denke, uns tut dieses immer wieder Einlassen auf den Moment gut. Es schafft einen Ausgleich zur sonstigen Hektik, die auf uns alle in irgendeiner Weise einwirkt und sich schwer vermeiden lässt. Wir nehmen Dinge wahr, die sonst an uns vorbeigezogen wären. Die wir einfach nicht wahrgenommen und er-lebt hätten, hätten wir uns unserem Gedankenkarussell hingegeben.

Ich gönne mir zwischendurch diese kleinen Pausen, in denen ich einfach nur bei meinen Hunden bin und sie beobachte, z.B. beim Spiel. Es fällt mir leicht abzuschalten, mich auf den Moment einzulassen, wenn mein „Kleiner“ mit erhobenem Kopf und stolzgeschwellter Brust ein eigentlich viel zu großes Stück Stoff durch die Gegend schleppt, fast darüber stolpert. Er beutelt es von links nach rechts, lässt es fallen. In Vorderpfoten-Tiefstellung fixiert er es, sprintet los, holt es wieder, schmeisst es in die Luft, genießt dieses Spiel und das damit verbundene Gefühl mit allen Sinnen. Und ich auch, wenn ich ihm dabei zusehe.

Unser Hund  zeigt uns, wie das geht, den Moment zu erleben. Richten Sie ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Sinne. Atmen Sie ruhig. Bewerten Sie nicht, was Sie erleben. Nehmen Sie nur wahr. Indem Sie sich auf diesen Moment ganz einlassen, tanken Sie selbst auf. Versuchen Sie im Alltag immer wieder und immer häufiger in den Moment einzutauchen. Zum Beispiel wenn Sie etwas Leckeres essen, oder das Gemüse für das Abendessen schneiden. Wenn Sie unter der Dusche stehen oder Zähne putzen. Das kostet keine zusätzliche Zeit, tut aber unheimlich gut. Probieren Sie es mal aus!

Wenn Sie mit allen Sinnen ganz im Moment sind, nur wertfrei wahrnehmen, erfahren Sie etwas, das Ihr Wohlbefinden steigert und Kraft für neue Herausforderungen gibt. Sie erleben das Leben.