Lebst Du oder wirst Du gelebt?

Unsere Tage sind voll mit kleinen und manchmal auch größeren Herausforderungen, Verpflichtungen, Bitten, Angeboten, Anforderungen und Verlockungen. Manchmal wird es so viel, dass wir nicht mehr wissen wo uns der Kopf steht. Wir fühlen uns überfordert. Vom Leben überrollt. Und es ist wie verhext – wenn das Leben mal anfängt, uns zu überrollen, dann ergibt das eine das andere.

Das sind Momente, in denen uns spätestens bewusst werden sollte, dass wir uns selbst aus den Augen verloren haben. Wir agieren nur noch. Doch alles was wir tun, hat Konsequenzen. Wir sollten deshalb dafür sorgen, dass wir das, was uns wichtig ist, was zu unserem Wohlbefinden und unserer Zufriedenheit beiträgt, nicht vernachlässigen.

Niemand ist Dir näher als Du.
Darf ich das, an mich selbst denken? Ist das nicht egoistisch? Diese Frage kommt häufig auf, wenn es um das Thema Selbstfürsorge geht. Und ich kann die Gedanken und Gefühle gut nachvollziehen, die damit einhergehen. Wenn wir früher immer wieder Sätze wie diese zu hören bekamen „stell Dich nicht so an“ oder „da musst Du jetzt durch“ und das nie hinterfragt haben, dann fällt es uns oft auch heute noch schwer, das zu tun, was ein wichtiger Schlüssel zu einem zufriedenen, ausgeglichenen Leben ist: sich selbst und die eigenen Bedürfnisse im Blick zu behalten.

Malen wir uns doch mal ganz nur ganz kurz das gegenteilige Szenario aus: Was passiert, wenn wir ständig mit durchgedrücktem Gaspedal durchs Leben rasen? Wenn wir es jedem recht machen wollen, auf allen Hochzeiten tanzen, immer erreichbar sein möchten, den Anspruch an uns selbst haben, perfekt für die anderen um uns herum zu sorgen und unsere eigenen Bedürfnisse dabei dauerhaft vernachlässigen? Die Folgen eines solchen Lebensstils erleben leider immer mehr Menschen: Überforderung, nachlassende Leistungsfähigkeit, Gereiztheit,  bis hin zu stressbedingten Erkrankungen.

Die meisten von uns merken glücklicherweise noch rechtzeitig, wenn Ihnen wieder mal alles über den Kopf wächst. Wenn der Körper nicht mehr so mitspielt. Dann wird manchmal eine Vollbremsung gemacht. Mit quietschenden Reifen biegen sie ab in die kleine oder größere Auszeit. Manche gönnen sich einen Urlaub, manche streichen vorübergehend alle Freizeitaktivitäten, ziehen sich eine Zeit lang zurück aus dem belastenden Alltag. Hat man einigermaßen aufgetankt, geht’s zurück auf die Rennstrecke. Und das Spiel beginnt von vorne. So lange, bis unser Körper vielleicht irgend wann mal streikt.

Selbstfürsorge als Lebensaufgabe
Wie wäre es denn, wenn wir es gar nicht so weit kommen lassen? Wenn wir anstatt  Wechsel zwischen Vollgas und Vollbremsung einen Stil leben würden, der uns in die gewünschte Richtung vorankommen und uns gleichzeitig in Balance bleiben lässt?

Zuerst sollten wir uns bewusst machen, dass unser Alltag aus zahlreichen kleinen Entscheidungen besteht. Wir entscheiden uns permanent – bewusst oder unbewusst. Stehen wir auf oder bleiben wir noch liegen? Nehmen wir das Auto oder das Fahrrad? Spiele ich jetzt mit dem Hund oder lese ich zuerst noch das Fachmagazin? Trinke ich den Café mit oder ohne Zucker? Spreche ich den Chef auf das Thema an oder nicht? Rufe ich die Freundin heute oder morgen an? Mache ich jetzt eine Pause oder mache ich das noch zu Ende? Jede einzelne Entscheidung wird den weiteren Verlauf des Tages meine Gedanken, meine Emotionen in irgendeiner Art beeinflussen. Jede noch so kleine Entscheidung hat Auswirkungen. Sie mögen uns in diesem Moment nicht bedeutend erscheinen, können aber in Summe einen Unterschied machen.

Beantworte Dir bitte diese eine Frage ganz ehrlich: was ist das wichtigste in Deinem Leben? Dein Kind? Dein Partner, Deine Partnerin? Dein Hund? Oder vielleicht doch Du selbst? Nur wenn wir selbst gesund sind, uns wohl fühlen, leistungsfähig sind, profitieren auch die, die uns und denen auch wir wichtig sind. Wenn wir diese Erkenntnisse zusammen nehmen und uns gleichzeitig bewusst machen, dass unser aller Leben endlich ist, gibt es für mich nur eine logische Konsequenz: wir sollten täglich und dauernd auf unser Wohl achten, gut für uns selbst sorgen. Nur dann gelingt es uns, auch gut für die da zu sein, die uns am Herzen liegen.

In kleinen Schritten zu mehr Selbst-Bewusstsein.
Entwickle Dein Bewusstsein für Dich selbst. Schritt für Schritt. Fühle und horche in Dich hinein: was sagt Dir Dein Körper? Braucht er jetzt etwas, z.B. Ruhe? Etwas anderes, das Dir gerade gut tut? Dann gönn Dir das. Nicht später. Nicht morgen. Möglichst Jetzt.

  • Bereits ein klitzekleiner „Entspannungssnack“ zwischendurch kann Dir jetzt gut tun. Zum Beispiel Minutenpausen in denen Du einfach nur Deinen Atem bewusst wahrnimmst und versuchst, dabei ganz bei Dir zu sein. Diese kleine Übung ist immer und überall möglich – egal wie turbulent das Leben gerade sein mag. Du musst nur daran denken, sie immer öfter in Deinen Alltag zu integrieren.
  • Versuche immer öfter zwischendurch Deine Aufmerksamkeit auf schöne Dinge zu lenken. Es gibt um uns herum tausende davon. Sie hellen unsere Stimmung auf, ganz nebenbei – der blaue Himmel, die grüne Krone eines Baumes, der Schmetterling der zufällig vorbeiflattert, ein nettes Lächeln der Verkäuferin… gönne es Dir, das alles auch (oder besser gesagt ganz besonders) in Zeiten wahrzunehmen, in denen es mal wieder turbulenter zugeht.
    Eine sehr wertvolle Idee, um unsere Wahrnehmungsfähigkeit für die schönen Momente es Lebens und die eigene Selbstwirksamkeit zu verstärken, ist der „Positive Tagesrückblick“ aus der Positiven Psychologie.  (Du findest die Beschreibung hier im Blog). Probier’ sie doch einfach mal eine Woche lang aus und lass’ Dich überraschen, was sich dadurch verändert.
  • Gestalte Deine Freizeit, Dein Beisammensein mit Deinem Hund, so wie es Dir gut tut. Du hast einen stressigen Tag hinter Dir? Dann geh doch eine kürzere Runde, anstatt die gewohnte Routine durchzuziehen. Wähle Deine bevorzugten Wege, bau Pausen und Aktivitäten ein, bei denen ihr beide Spass habt. Es wird auch dem Hund besser gehen, wenn sein Mensch freundlich, ausgeglichen und ganz im Hier und Jetzt ist.
  • Lerne Deine Bedürfnisse immer besser wahrzunehmen. Dein Körper sagt Dir, was Du brauchst. Werde kreativ und finde Deine eigenen Wege, Deinen Alltag entsprechend zu gestalten.

Phasen in denen es uns schwer fällt, uns selbst im Blick zu behalten, wird es immer mal wieder geben. Und auch dann haben wir die Wahl. Wir selbst treffen die Entscheidung, es einfach weiter zu versuchen in ganz kleinen Schritten, bis das Thema Selbstfürsorge ganz „normal“ für uns wird, wir unsere Bedürfnisse immer deutlicher und zeitnaher wahrnehmen lernen und passende Wege finden, gut für uns zu sorgen. Übung macht auch hier den Meister. Manchmal hilft es auch, sich Zeit und Raum zu geben, um sich ausserhalb des Tagestrubels zu reflektieren. Und manchmal kann ein bisschen Unterstützung von außen dabei helfen.

Wie Dein Weg zu mehr Selbstfürsorge aussieht, weißt Du selbst am besten. Ich kann Euch nur aus eigener Erfahrung versichern: es lohnt sich, ihn zu gehen.

 

P.S. Der aufmerksame Leser hat vielleicht bemerkt, dass ich mit diesem Beitrag vom ‚Sie‘ auf das ‚Du‘ über gegangen bin. Es fühlt sich für mich so besser an, das Schreiben fällt mir leichter. Schließlich geht es ja auch um höchstpersönliche Themen. Ich hoffe, das ist ok für Dich.