Ziele erreichen – surfen oder kämpfen?

Meistens gibt es mehrere Wege, um unsere Ziele zu erreichen. Wie unser Weg aussieht – das entscheiden wir. Die innere Haltung macht dabei einen Unterschied: wir können uns von Stärken und Fähigkeiten tragen lassen oder gegen „den Schweinehund“, gegen (vermeintliche) Schwächen, gegen innere und äußere Hindernisse, ankämpfen. Was denkt ihr? Was ist die bessere Wahl?

Geschmeidig und fröhlich zum Ziel.
Ich möchte Euch von einem persönlichen Erlebnis erzählen. Letzte Woche machten wir einen Spaziergang in einer wildreichen, wunderschönen Landschaft. Mein jagdlich recht ambitionierter Spaniel durfte diesmal ohne Leine laufen, da das Gebiet gut überschaubar war. Unvorhersehbare Wildbegegnungen waren also wenig wahrscheinlich und der Rückruf gut trainiert. Plötzlich stolperte mein Hund über eine wohl sehr interessante Spur, wie mir seine Körpersprache deutlich mitteilte. Ich pfiff und er reagierte prompt, freudig und ohne zu zögern auf meinen Rückruf.  Wie sich später herausstellte, ließ er etwas sehr Interessantes links liegen – was für eine Freude. Wir haben dieses Ziel erreicht, obwohl ich kein Hundetrainer bin und wertvolle trainerische Fähigkeiten wie Reaktionsschnelligkeit und Konsequenz nicht immer zu meinen Stärken gehören. Das gleiche ich mit anderen aus. 😉

Zum Beispiel mit der Stärke, mir Unterstützung zu holen, wenn nötig. Und durch Vertrauen. Vertrauen in positive,  bedürfnisorientierte Trainingsansätze. Und Vertrauen in mich. Ich lerne gerne dazu und es macht mir Spaß, meine Fähigkeiten zu erweitern. Ich habe mir so einige Seminaren und Einzelstunden in einer kompetenten Hundeschule gegönnt, in der das Training Mensch und Hund gleichermaßen Spaß macht. Es war auch ein Weg der Wandlung meiner inneren Haltung in Bezug auf Hunde. Denn ich hatte vor vielen Jahren noch „die andere Art, Hunde zu erziehen“ kennen gelernt. Dieser „alten“ Art lag die Theorie zugrunde, der Hund müsse jederzeit ‚funktionieren‘ und „Fehlverhalten“ des Hundes müsse „korrigiert“ bzw. bestraft werden. Mir hat das noch nie gefallen, denn diese Art des Trainings bringt nicht nur dem Hund wenig Freude. Immer „Herr der Lage“ sein zu müssen … immer aufmerksam sein, um Fehlverhalten im richtigen Moment zu korrigieren oder zu bestrafen … und vor allem: gegen die Natur des Hundes anzukämpfen… mir war das zu anstrengend und zu unerfreulich und dazu sträubte sich mein Bauchgefühl gegen diese Art des Umgangs mit meinem Hund.

Ich bin überzeugt, so geht es nicht nur mir. Ich habe jedoch das Gefühl, dass sich manche Menschen an diese defizitorientierte innere Haltung gewöhnt haben (die ja nicht nur im Umfeld Hundetraining gelebt wird) und deshalb nicht sehen, dass es sehr viel erfreulichere Wege zum Ziel gibt.

Auf Stärken fokussieren.
Bleiben wir doch noch kurz bei der Mensch-Hund-Beziehung und meinem Beispiel vom Jagen. Mein Hund ist ein English Springer Spaniel, ein Stöberhund. Damit gehört er einer der ältesten englischen Gundog Rassen an,  gezüchtet für die jagdliche Arbeit „unter der Flinte“. Job dieser Hunde ist, das Wild zu finden und „hochzumachen“, damit der Jäger seinen Schuss absetzen kann. Danach hat er einen weiteren Job: das geschossene Wild zum Jäger zurück zu bringen. Züchter dieser Rasse haben die Hunde bewusst ausgewählt, die besonders geeignet für diese Aufgaben waren. Es liegt diesen Hunden also in den Genen, sehr aufmerksam zu sein … sozusagen „die Flöhe husten zu hören“. Ihre geruchlichen Fähigkeiten sind stark ausgeprägt. Und das sind auch die Stärken meines Hundes: ein sehr gutes Näschen, das für ihn interessante Gerüche schon von weitem erkennt gepaart mit einer unglaublichen Reaktionsschnelligkeit und Sensibilität.

Ich habe mich für diesen Hund entschieden, obwohl ich kein Jäger bin. Ich kann nun gegen diese Anlagen arbeiten, das heißt: sein natürliches Bedürfnis, sie auszuleben, mit Strafe und Korrektur unterdrücken oder ihn ausschließlich an der Leine führen. Es gibt aber noch einen weiteren Weg: ich kann ihm ermöglichen, seine Stärken auf eine Art auszuleben, die sich mit unserer Menschenwelt verträgt. Ich kann ihn seine Fähigkeiten bewusst und im Hinblick auf mein Ziel ausleben lassen.

Genau das habe ich gemacht. Mittlerweile genieße ich die Streifzüge durch Wald und Wiesen und unsere gemeinsame Jagd nach Dummies (Stoffattrappen) und andere „Nasenpiele“ sehr. Dieser bedürfnisorientierte Trainingsweg macht Spaß. Dem Hund und auch mir. Er gibt mir zudem die Chance, ein bisschen die Welt meines Hundes einzutauchen und ihn dadurch besser kennen zu lernen. Ich habe mich für’s „surfen“ entschieden. Mit dem Vorhandenen, also mit den Stärken des Hundes zu arbeiten, anstatt etwas zu unterdrücken oder „weg haben zu wollen“ und dagegen anzukämpfen. Durch die positiven, gemeinsamen Aktivitäten und „Jagdspiele“ hat sich seine Kooperationsbereitschaft und Ansprechbarkeit in diesem Umfeld ganz von selbst verbessert.

Nicht nur bei diesem Thema macht dieser Weg sehr viel mehr Sinn. Es ist ein Weg, den ich auch im „normalen Leben“  leben möchte – im Hinblick auf meine Ziele und auch im Umgang von Mensch zu Mensch. Egal ob im privaten Bereich oder im Arbeitskontext. Denn dieser Weg berücksichtigt das, was wir mitbringen und stärkt uns bereits während wir ihn gehen. Wenn wir unsere eigenen Stärken nutzen und die Stärken anderer sehen und anerkennen, ihnen mit Interesse begegnen eröffnen sich vielleicht neue Sichtweisen, Ideen, eine andere Beziehungsqualität. Und damit lassen sich unsere Ziele oft viel geschmeidiger und leichter erreichen.