Wir und die anderen.


Wir Menschen sind soziale Wesen. Zusammenarbeit kennzeichnet unsere Kultur, wir sind auf Kooperation gepolt. Bereichernde Beziehungen machen uns glücklich und wenn wir Konflikte erleben, leiden wir. Studien weisen darauf hin, dass ein erfülltes Sozialleben mit höherem Wohlbefinden und besserer Gesundheit einhergeht. Doch wie gelingt es uns, bereichernde Beziehungen zu leben? 

Den Einfluss sozialer Kontakte auf unser Wohlbefinden kann ich mir ganz einfach durch folgendes Experiment erfahrbar machen: ich beobachte ein paar Tage lang meine Stimmung und Gefühle und ihre Veränderungen über den Tagesverlauf. Wenn ich einen Stimmungswechsel bemerke, halte ich kurz inne und begebe mich auf Ursachenforschung. In den meisten Fällen werde ich feststellen: wir erleben Stimmungsänderungen vor allem in Kontext Beziehungen und im Kontakt mit anderen. Und wir können uns weiter fragen: sind es tatsächlich die anderen, die meine Stimmung beeinflussen? Oder ist unser Empfinden vielleicht doch eher dadurch geprägt, wie und was ich über mich und andere und deren Verhalten mir gegenüber denke?

Liebe, Vertrauen und Angst aus Sicht der Hirnforschung.
Stress und Angst entstehen durch einen Mangel an Vertrauen. Vor ein paar Tagen habe ich ein sehr spannendes Interview mit dem Hirnforscher Dr. Gerald Hüther zu diesem Thema gehört, das er auf Seinere Facebook-Seite verlinkt hatte. Vertrauen in uns selbst, und in andere – das sind wichtige Ressourcen, die unsere Angst vor der Angst reduzieren. Als anschauliches Beispiel erzählt er von den Trümmerfrauen nach dem zweiten Weltkrieg. Sie haben gemeinsam mit vereinten Kräften Unglaubliches geschafft. Ohne Vertrauen und Kooperation wäre das nicht möglich gewesen, was damals von diesen Menschen geleistet wurde die sehr traumatische Dinge erlebt hatten. Nachdem Dr. Hüther das Thema Angst und Vertrauen aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet, schließt er das Interview mit dem Satz: „Das Gegenteil von Angst ist nicht Vertrauen, sondern Liebe.“ Damit macht er deutlich, wie existentiell wichtig ein wertschätzender und empathischer Umgang miteinander für unser aller Wohlbefinden ist.


Beziehungsqualität hängt vor allem von uns selbst ab.
Vertrauen fängt bei uns selbst an – wenn wir auf uns selbst vertrauen und anderen Vertrauen schenken. Wir selbst spielen eine tragende Rolle dabei, wie sich unsere Beziehungen entwickeln.
Eine wichtige Basis für gelingende Beziehungen ist, dass wir uns selbst wertschätzen und zuallererst mit uns selbst gut umgehen. Wir sollten unsere eigenen Bedürfnisse ernst nehmen und unsere Stärken und Werte kennen und leben. Das ist nicht egoistisch, sondern erforderlich, um emotional im Gleichgewicht zu bleiben. Es ist notwendig, um auch auf Herausforderungen des Alltags gelassen reagieren zu können und dabei noch für die die wir mögen oder lieben da zu sein. Auf diesem Nährboden können bereichernde Beziehungen gedeihen. Wenn wir das leben, erst dann sind wir zu einer ebensolchen Beziehungsqualität mit anderen überhaupt in der Lage. Idealerweise haben wir einen solchen Umgang mit uns selbst und anderen als Kind von unseren Eltern und Bezugspersonen vorgelebt bekommen. Wenn nicht, haben wir die wichtige Aufgabe, uns diese Grundhaltung anzueignen.

Wenn wir für uns selbst Verantwortung übernehmen, wenn wir dafür sorgen, dass es uns gut geht, dann können wir auch anderen ein guter Partner, Freund, Begleiter, Gesprächspartner, Kollege, Trainer oder Vorgesetzter sein. Schaffen wir es, unser Gegenüber zu so zu sehen und  anzunehmen wie sie oder er ist, wenn wir offen und ohne Vorbehalte auf andere zuzugehen und gleichzeitig bei uns bleiben, dann kann Vertrauen wachsen. Die Basis für eine bereichernde Beziehung ist geschaffen.

Die Mensch-Hund-Beziehung.
Die Beziehung zu unserem Hund nimmt eine Sonderstellung ein, ist aber gleichzeitig gar nicht so unterschiedlich zu unseren menschlichen Beziehungen. Hunde sind soziale Tiere, die eng mit uns zusammenleben wollen und wie kein anderes Tier mit uns kooperieren. Sie sind zweifelsfrei unsere Sozialpartner. Einige Dinge unterscheiden sich jedoch zu unseren menschlichen Kontakten. Zum Beispiel sind die Möglichkeiten der Kommunikation eingeschränkt und auch einige Fähigkeiten und Bedürfnisse unterscheiden sich stark. Gleichzeitig sind unsere Hunde vollkommen abhängig von uns und unserem Handeln. Wir bestimmen ihr gesamtes Leben, sie sind unseren Stimmungen schutzlos ausgeliefert und abhängig von unserem Wohlwollen.

Sind wir selbst in Balance, wird sich das positiv auf unseren Umgang mit dem Hund auswirken. Hunde sind Meister im Wahrnehmen unserer Emotionen und Stimmungen. Ruhen wir nicht in unserer Mitte oder leben wir persönliche unbearbeitete und beziehungsbelastende Verhaltensmuster gegenüber unserem Hund aus – zum Beispiel mangelnde Rücksichtnahme, perfektionistische Erwartungen oder sogar Machtspiele –  wird sich das auf das Wohlbefinden des Hundes auswirken. Und es wird auch wieder auf uns zurückwirken, denn ein solcher Umgang wird natürlich das Verhalten des Tieres beeinflussen. 

Wünschen wir uns eine harmonische, für beide Seiten bereichernde Hund-Mensch-Beziehung, gilt auch hier: wir sollten gut für uns selbst sorgen und gleichzeitig die Eigenarten unseres Hundes wertschätzen – ihn so nehmen, wie er als Hund eben ist. Während wir ihm im Training auf freundliche und bedürfnisorientierte Art die Dinge vermitteln, die notwendig sind, um in unserer Gesellschaft zu leben, sollten wir ihn als das sehen, was er ist: ein Individuum mit eigenen Bedürfnissen, Stärken und Fähigkeiten. Wir sollten ihn  gleichzeitig auf sozialverträgliche Weise darin fördern, seine Individualität zu leben, anstatt ihn nach unseren Vorlieben hinzubiegen. Wenn es uns gelingt, gemeinsam mit den Hund in Balance zu leben, werden wir eine artübergreifende einzigartige und bereichernde Beziehung erleben, die ganz automatisch auch unser eigenes Wohlbefinden fördert.

Wenn uns Beziehungen nicht mehr gut tun.
Der Hund kann sich aus der Beziehung zu uns nicht lösen. Er ist von uns uns abhängig. Wir erwachsene Menschen hingegen haben jederzeit die Wahl, Beziehungen zu beenden, falls erforderlich. Wenn die Beziehung zu einem anderen Menschen langfristig als sehr einseitig empfunden wird, wenn man das Gefühl hat, Geben und Nehmen ist nicht mehr ausgewogen, der Kontakt zehrt anhaltend an unseren Kräfte, wenn immer wieder ähnliche unerfreuliche Themen und Konflikte auftauchen und wir nur einseitig bereit sind, an einer Verbesserung dieser Beziehung zu arbeiten, dann kann es auch mal nötig werden, sich von jemanden zu trennen. Auch das fällt unter das Kapitel Selbstfürsorge. Wir können andere nicht ändern, aber sehr wohl eine Entscheidungen für unser eigenes Wohlergehen treffen.

Soziale Kontakte sind wichtig für unser Wohlbefinden und Glück. Es geht dabei allerdings nicht um Quantität, sondern um Qualität. Es ist nicht nötig einen möglichst großen Freundeskreis zu haben. Beziehung zu den wenigen zu pflegen, die uns und denen wir am Herzen liegen, die zu uns und unseren Werten passen, und ansonsten andere in ihrer Individualität anzunehmen und ihnen wertschätzend zu begegnen, das fördert unser aller Wohlbefinden. Und vor allem sollten wir uns zu jeder Zeit selbst ein guter Freund sein.