Jetzt bleib mal cool!


„Jetzt bleib mal cool“. Dieser gut gemeinte Rat ist leichter gesagt als getan. Gelassenheit auf Knopfdruck, einen ‚klaren Kopf’ bewahren, sich nicht von seinen Emotionen mitreißen lassen – wie schaffen wir das nur? Emotionen können unser Freund oder Feind sein. Es kommt auf unsere Perspektive an.

Wenn nur diese verdammten Emotionen nicht wären.
Manchmal überrollen uns unsere Emotionen. Wir können sie nicht nach Belieben ein- und ausschalten. Genau das wünschen wir uns allerdings manchmal. Gerade auch dann, wenn es um Angst, Wut, Ärger im Alltag mit dem Hund geht. Uns ist bewusst: unsere Stimmung und unser Stress, den wir damit haben, kann sich auf unseren Vierbeiner übertragen. Sind wir selbst angespannt oder aufgeregt, wird unerwünschtes Verhalten des Hundes wahrscheinlicher. Und obwohl uns das bewusst ist, können wir unsere Gefühle nicht einfach so abstellen.

Der gut gemeinte Rat vom Hundetrainer, bei der nächsten Hundebegegnung  die Leine nicht anzuspannen und schon gar nicht uns selbst, sondern einfach locker zu bleiben – der ist richtig und zielführend. Wir wissen das, es setzt uns manchmal aber noch mehr unter Druck. Wir kommen uns unzulänglich vor, weil wir das, was wir umsetzen sollen, vielleicht in der sicherheitspendenden Anwesenheit des Trainers gerade noch so hinbekommen. Am nächsten Tag auf offener Straße, wenn der Erzfeind unseres Hundes plötzlich um’s Eck kommt und weit und breit kein Trainer in Sicht ist, da sieht die Situation schon anders aus. Da passiert es uns wieder: wir können das Gelernte nicht gut umsetzen, weil wir vielleicht von Emotionen überrollt in Stress geraten und nicht mehr klar denken und handeln können. Das Ergebnis: wir fühlen uns noch schlechter. Wir haben es „wieder nicht hinbekommen“.

Die Herausforderung, vor der wir stehen: Hundetrainer können uns zwar den Umgang mit dem Hund zeigen, uns vermitteln, welche Trainingstechniken wir einsetzen und wie wir idealerweise reagieren sollten. Umsetzen müssen wir das alles im Alltag selbst, mit möglichst klarem Kopf. Ohne „Sicherheitsnetz“. Wir sollen die richtigen Handgriffe und Bewegungen zum exakt  passenden Zeitpunkt ausführen. Eventuell kreativ werden und vielleicht sogar kleine Modifikationen vornehmen aufgrund veränderter Umstände. Und das alles bitte noch ganz gelassen und fröhlich gestimmt. Das ist viel leichter gesagt als getan.

Um auch innerlich gelassen zu bleiben in Situationen, die für uns emotional eingefärbt sind, dafür braucht es noch etwas mehr. Zum Beispiel die Bereitschaft, uns mit unseren Emotionen, das heißt mit uns selbst, ehrlich auseinanderzusetzen. 


Der erste Schritt heraus aus dem Teufelskreis.
Das, was wir zuallererst verändern sollten, mag banal klingen. Es ist jedoch die Basis für eine Veränderung in die gewünschte Richtung: hör’ auf, dich für das, was nicht geklappt hat, abzuwerten. Nimm das, was geschehen ist und auch Deine Emotionen an. Ändern kannst Du es rückwirkend sowieso nicht mehr. Du kannst jedoch für die Zukunft daraus lernen. Und unsere Emotionen sind dabei unser Helfer, nicht unser Feind.

Unser Gehirn, unser so genanntes “Emotionales Erfahrungsgedächtnis“ speichert – wie der Name schon vermuten lässt – Erfahrungen und die dazugehörigen Gefühle und Körperempfindungen gemeinsam ab. Das hat den Sinn, dass wir sehr schnell ins Handeln kommen, wenn es notwendig ist. Die Emotion „Angst“ will uns zum Beispiel bei drohender Gefahr blitzschnell handlungsbereit machen. Ärger und Wut machen uns auf Grenzüberschreitungen  aufmerksam.

Unsere Emotionen aktivieren uns. Im Bruchteil einer Sekunde werden körperliche Prozesse angestoßen, die dafür hilfreich sind. All das passiert unbewusst – der Ablauf Reiz-Emotion-Reaktion ist im Moment des Geschehens nicht willentlich steuerbar. Und je bedeutender und eindrucksvoller die abgespeicherte Erfahrung war, desto schwerer ist es für uns, bei den auslösenden Reizen gelassen zu bleiben.

Das heißt in der Praxis: wenn ein so genannter „Stressor“ – zum Beispiel ein anderes Hund-Mensch-Team plötzlich ums Eck und frontal auf uns zukommt, spulen wir das ab, was sich in der Vergangenheit vielleicht mal bewährt, jedoch für die aktuelle Situation nicht unbedingt zielführend ist. Fatal ist: je mehr wir uns unter Druck setzen, gelassen zu bleiben, je mehr wir uns dafür abwerten, dass „wir es wieder nicht geschafft haben“, desto schwieriger kann es werden, die Situation zukünftig hilfreich zu verändern. Wir werden mehr, anstatt weniger Stress empfinden. Im ungünstigen Fall kommen weitere negative Emotionen dazu und vermischen sich zu einem Emotionscocktail, den uns unser Körper in zukünftigen ähnlichen Situationen wieder serviert. Hilfreich ist im ersten Schritt deshalb vor allem: durchatmen, einfach nur annehmen was da in uns und um uns passiert ist und dabei möglichst liebevoll mit uns selbst umgehen. Und sich danach Zeit nehmen, um in Ruhe zu überlegen, wie wir ähnliche Situationen in Zukunft nach und nach ein bisschen besser gestalten können. Schritt für Schritt. Denn aus jeder Erfahrung lernen wir.

Unser Frühwarnsystem nutzen.
Ich begrüße jede Emotion. Ich sehe sie als „Warnlämpchen“, die mir anzeigen, dass es vielleicht gut wäre, eine Situation zu hinterfragen. Das, was ich verändern kann, mag teilweise im Außen liegen, meist  werden wir auch in unserem Inneren fündig. Manchmal ist es offensichtlich, manchmal erfordert es aber auch etwas Detektivarbeit. Manchmal liegt das, was dahinter steht, schon sehr lange zurück. Manchmal ist es leicht greifbar. Und manchmal gibt es mehrere Ansatzpunkte. Herauszufinden, was dahinter steht, kann manchmal recht knifflig sein. Manchmal ist es ohne professionelle Hilfe gar nicht machbar.

Hilfreich ist, sich erst mal von dem „warum“ zu lösen und die Perspektive zu wechseln: weg von dem, was man „nicht will“, hin zu dem, was man will. Wie will ich zukünftig mit dieser Situation umgehen? Welches Ergebnis wünsche ich mir? Und was hilft mir dabei, dieses Ziel zu erreichen? Das sind hilfreiche Fragen.

Der Weg zu einem guten Umgang mit unseren Emotionen ist sehr individuell. Und diese Reise lohnt sich. Dabei werden uns ausgerechnet unsere Emotionen helfen. Angst – Wut – Scham – Ekel. Oft spüren wir sie erst, wenn das Warnlämpchen schon heftig blinkt und tutet. Dann, wenn die Emotionswelle uns bereits überrollt. Wäre es nicht viel hilfreicher, unsere Wahrnehmung so zu schulen, dass wir unser inneres Warnlämpchen schon beim ersten Aufflackern bemerken?  Wenn wir unsere Emotionen als gute Freunde betrachten, sie spielerisch besser kennen lernen, anstatt sie abzulehnen?

Je vertrauter wir mit uns selbst und unseren Warnlämpchen werden, je frühzeitiger wir sie und damit unsere Bedürfnisse in verschiedenen Situationen erkennen, desto besser lernen wir mit diesen Situationen umzugehen. Was uns dabei noch hilft, ist Achtsamkeit. Achtsamkeit heißt: neugierig und wertfrei wahrzunehmen, was in uns und um uns herum in diesem Augenblick passiert. Diese Fähigkeit können wir durch Übungen ausbauen.

Schritt für Schritt gelassener werden.
Die notwendigen Schritte sind theoretisch ganz simpel, in der Umsetzung doch nicht so einfach. Wir sollten achtsamer werden und lernen, unsere Emotionen wertzuschätzen und  frühzeitig wahrzunehmen. Wir sollten lernen, uns gut um uns selbst und unsere Bedürfnisse zu kümmern – gerade in stressigen Situationen.

Ist das nicht egozentrisch, so um sich zu kreisen? Nein. Wenn wir mal in Ruhe darüber nachdenken, ist es das Gegenteil. Gerade, wenn wir auf unser eigenes emotionales Gleichgewicht achten, wird das unserem Umfeld gut tun. Nur wenn wir gut auf uns selbst aufpassen, auf unsere eigenen Bedürfnisse achten, dann können wir denen, die wir lieben, ein stabiler, aufmerksamer, zugewandter Freund, Partner oder Mensch für den Hund sein. Erst wenn wir es schaffen, auch in schwierigen Situationen bei uns selbst zu bleiben, haben wir die Gelassenheit und innere Balance, um auch die anderen und ihre Bedürfnisse zu sehen.