Eine Prise Leichtigkeit.

Wünschen Sie sich diese Leichtigkeit zurück? So wie früher als Kind einfach durchs Leben flattern, sich nur um sich selbst kümmern, so ganz ohne Verpflichtungen?

Ganz so leicht wird es wohl nicht mehr. Wir alle haben unsere Verpflichtungen. Jeden Tag prasseln Erwartungen auf uns ein. Der Chef … die Familie … die Kollegen … die Freunde … die Menschen um uns herum erwarten alles Mögliche. All diese Erwartungen sind vollkommen berechtigt aus der Sicht derer, die sie an uns richten. Und sie können in Summe ganz schön Druck auf uns ausüben, uns ganz schnell ein schlechtes Gewissen vermittelt, weil wir unmöglich alle Erwartungen erfüllen können. Selbst wenn wir das gerne wollten – da gibt es eine Restriktion. Und die heißt: Zeit.

Wer übt da eigentlich gerade Druck aus? Sind es wirklich die anderen. Oder üben wir vielleicht Druck auf uns selbst aus? Und wenn wir es selbst sind, können wir daran vielleicht etwas ändern? Und damit womöglich schon ein bisschen Druck rausnehmen an der ein- oder anderen Stelle? Lassen Sie uns versuchen, diese Frage am Konstrukt „der perfekte Hund“ für uns zu beantworten – eine sehr hohe Erwartung, die manchmal von außen an uns herangetragen wird … ein Anspruch, den manche Hundehalter sogar selbst an sich stellen.

Glauben Sie, dass es ihn gibt, den ‚perfekten Hund‘? Perfekt in welcher Hinsicht? Aus welcher Perspektive? Der perfekte Familienhund, Freizeitbegleiter, Sporthund, Therapiehund, Jagdhund, Hütehund, Wachhund? Oder der ‚perfekte Hund‘ aus Sicht derer, die sich durch das natürliche Verhalten von Hunden gestört fühlen? Über was reden wir überhaupt? 
Kann ein Lebewesen für alle und in allen Bereichen perfekt sein? Oder gibt es wie immer zwei Seiten der Medaille. Wir sollten uns von diesem Anspruch lösen und uns das Leben somit schon einmal ein Stückchen leichter machen.
Gestatten Sie anderen, vor allem auch dem eigenen Hund, nicht perfekt zu sein. Und auch sich selbst. Perfektion ist unmöglich, weil es abhängig von Kontext und Sichtweise ist, wie gut etwas oder jemand ist. Das Konstrukt ‚Perfektion’ für sich zu hinterfragen ist also schon mal ein guter Schritt in Richtung Leichtigkeit.

Und was ist mit der Verantwortung, fragen Sie jetzt vielleicht? Die ist gut und wichtig, würde ich sagen. Und es geht darum zu unterscheiden, wo es sinnvoll ist Verantwortung zu übernehmen und an welcher Stelle es uns überfordert oder sogar unmöglich für uns ist. Auch berücksichtigen sollten wir unseren fixen zeitlichen Rahmen – 24 Stunden pro Tag stehen uns zur Verfügung. Keine Sekunde mehr. Überfordern wir uns ständig dadurch, dass wir zu viel Verantwortung übernehmen, ist niemandem geholfen. Am wenigsten uns selbst. Deshalb ist folgendes wichtig:

Prioritäten setzen. Um beim Beispiel Hund zu bleiben: es hilft zu unterscheiden, welche Themen wir unbedingt sofort angehen müssen und welche Themen wir durch Planung und Durchführung geeigneter Maßnahmen, in der Hundetrainersprache ‚Management‘ genannt, erst einmal anders regeln können. Verantwortungsvoll natürlich. So, dass es allen dabei gut geht. Mit diesem „Plan B“ für die Dinge, die sich durch Management „vertagen lassen“, haben wir uns schon einmal Freiraum für die wichtigen Dinge geschaffen. 

Jetzt wird’s leichter? Noch nicht ganz. Ein kleiner Rest Druck bleibt noch übrig.

Was denken denn die anderen über uns, wenn wir zum Beispiel bei Hundebegegnungen, die aus unserer Sicht eskalieren könnten, Management betreiben und zum Beispiel die Distanz vergrößern. Wenn wir mit bestem Wissen und Gewissen aus unserer Sicht das richtige tun– ist das dann wirklich so wichtig, was die anderen denken?. [*] Die anderen denken ganz einfach was sie denken. Egal was wir tun, wie wir uns verhalten, es wird das, was sie in unserem Tun sehen, nicht ändern.

Lassen Sie uns  doch mal kurz die Perspektive wechseln: wie kommt das Denken der anderen zustande (wie natürlich auch unser eigenes Denken) ? Was wir denken, beruht auf der persönlichen Weltsicht, unserem Wissen, unseren persönlichen Erfahrungen, unseren Wünschen. Und unterscheidet sich sehr wahrscheinlich in vielen Punkten von Weltsicht, Wissen, Erfahrungen und Wünschen der anderen.

Ein Mensch, dessen Hundewissen auf veralteten Theorien basiert, wird sich bei dem oben genannten Beispiel vielleicht denken „Der Hund tanzt der doch total auf der Nase herum“ und/oder „die kann sich nicht durchsetzen.“
Ein Beobachter, der selbst noch nie einen Hund hatte, Hunde nicht lesen kann und vielleicht sogar ein bisschen Angst vor ihnen hat, könnte denken „der ist gefährlich, sonst würde sie nicht ausweichen.“
Ein Mensch, der sich Hundekontakt für den eignen Hund wünscht, denkt sich vielleicht: „Schade. Da wäre endlich ein Spielpartner für meinen Hund und sie weicht aus.“
Und jemand, der selbst schon mal positiv mit einem Hund an diesem Thema trainiert hat, wird sich denken: „Schön! Sie erkennt die Stress-Signale Ihres Hundes und hilft ihm die Situation gut zu meistern.“
Alles die gleiche Situation und doch vollkommen unterschiedliche Denkweisen…

Jeder denkt, was er denken kann und will. Das Denken wird bestimmt durch die eigene Biografie und Weltsicht, durch die eigene „Wahrheit“. Wenn Sie das Denken der anderen aus dieser Perspektive betrachten, halten Sie  dann immer noch für wichtig was die anderen denken, wenn sie selbst zu dem stehen können, was sie tun?

Wechseln sie die Perspektive und wenn es passt, fragen sie doch auch einfach mal nach und lassen sie sich überraschen, was sich dadurch verändert.

Ich wünsche Ihnen  eine Prise Leichtigkeit und viele schönen Begegnungen.

[*] Anmerkung: Mir geht es bei dieser Betrachtung um Menschen, denen wir zufällig begegnen. Mit ihnen wird wahrscheinlich kein weiterer Austausch stattfinden. Bei Menschen, die in Beziehung zu uns stehen und Bedeutung für uns haben, halte ich Austausch von Meinungen für sehr wertvoll. Es ist gut und wichtig, offen für die Meinungen anderer zu sein. Ohne das wäre Lernen und persönliche Weiterentwicklung nicht möglich. Wichtig ist aber auch hier, andere Meinungen nicht einfach zu anzunehmen, sondern sie zu reflektieren, mit dem eigenen Denken, Werten und Zielen abzugleichen. Weitere Gedanken dazu gibt es vielleicht bald mal hier im Blog …